- Psychosomatik
- Psy|cho|so|ma|tik 〈f.; -; unz.〉 Lehre von den Beziehungen zw. Körper u. Seele [<grch. psyche „Seele“ + soma „Körper“]
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Psy|cho|so|ma|tik [österr. auch: …'mat…], die; - [zu griech. sõma = Leib, Körper] (Med.):Wissenschaft von der Bedeutung psychischer Vorgänge für Entstehung u. Verlauf von Krankheiten.* * *
Psychosomatik[zu griechisch so̅́ma »Körper«] die, -, psychosomatische Medizin, Wissenschaft und Heilkunde von den wechselseitigen Beziehungen psychische, sozialer und körperlicher Vorgänge in ihrer Bedeutung für Gesundheit und Krankheit. Psychosomatik stellt eine Betrachtungsweise in allen Disziplinen der Medizin dar, die, so alt wie die Heilkunde selbst, nicht etwa dem Körperlichen weniger, sondern dem Seelischen mehr Beachtung schenkt. Der Begriff Psychosomatik kennzeichnet die leiblich-seelische Ganzheit des Menschen. Das Grundprinzip der Psychosomatik als medizinische Disziplin lässt sich mit der Formulierung des Internisten L. von Krehl (* 1861, ✝ 1937), »Krankheiten als solche gibt es nicht, wir kennen nur kranke Menschen«, verdeutlichen. Die Entwicklung der Psychosomatik in der Medizin bedeutet die »Einführung des Subjektes in die Pathologie« (V. von Weizsäcker), da nach psychosomatischer Auffassung das Individuum als Person nicht auf das Körperliche reduzierbar ist, muss man sich in der Diagnostik und Therapie mit dem einzelnen Kranken, seinen Erlebnissen, seiner Vergangenheit und seiner Zukunftserwartung beschäftigen. Psychosomatik kennzeichnet somit eine ärztliche Grundeinstellung, die psychische und soziale Faktoren bei der Diagnostik und Therapie von Krankheiten ebenso berücksichtigt wie die physischen Faktoren. Sie untersucht mit biologischen, v. a. jedoch mit psychologischen und sozialwissenschaftlichen Methoden die Einflüsse psychischer und sozialer Faktoren für die Entstehung, Erhaltung und Behandlung von physischen Krankheiten. Psychosomatik ist außerdem Bezeichnung für ein medizinisches Fachgebiet (psychosomatische Medizin und Psychotherapie).Entwicklungsgeschichte der PsychosomatikInwieweit es im Altertum bereits eine psychosomatische Medizin gab, ist umstritten. Berühmt ist Platons früher Dialog »Charmides«, in dem Sokrates einem an Kopfweh leidenden jungen Mann sagt, dass man, wenn es den Augen wieder gut werden solle, den ganzen Leib nicht ohne die Seele behandeln dürfe, denn von der Seele gehe alles, sowohl Gutes als auch Böses aus, für den Körper und den ganzen Menschen; die Seele aber müsse durch »gute Reden« behandelt werden. Der Begriff »psychosomatisch« erscheint erstmals bei Johann Christian August Heinroth (* 1773, ✝ 1843), der als ein Arzt der romantischen Medizin versuchte, viele körperliche Erkrankungen aus (sündhaften) Leidenschaften heraus zu erklären. Die Psychosomatik wurde zu einer Gegenbewegung zum Leib-Seele-Dualismus in der Medizin. Dieser Dualismus wird zu Unrecht immer wieder auf R. C. Descartes zurückgeführt und als Folge der Aufklärung interpretiert. Infolge der ausschließlichen Zentrierung auf den Leib gab es für die sich stürmisch entwickelnde naturwissenschaftliche Medizin keine Seele, man kann diese nicht sehen und anfassen, deshalb wurde sie zur Sache der Theologen und Philosophen erklärt. Die Geheimnisse des menschlichen Organismus, der als eine »bewundernswerte Maschine, ausgestattet mit den wunderbarsten, verwickeltsten und zartesten Mechanismen« betrachtet wird, wie es C. Bernard, einer der Begründer der Physiologie, formulierte, können nur durch die Naturwissenschaft gelüftet werden, die Krankheiten, die als Störungen und Defekte dieser Maschine interpretiert werden, können nur durch naturwissenschaftliche Methoden behoben werden. Dennoch blieb Vieles naturwissenschaftlich unerklärt. Ein Beispiel war das Experiment des Hygienikers M. Pettenkofer, der lebende Cholerabazillen trank und dennoch nicht an Cholera erkrankte, womit ihm der Nachweis gelang, dass Erreger für sich noch keine Krankheit hervorrufen. Ein anderes Beispiel war das Phänomen der Kriegszitterer des Ersten Weltkrieges, das von dem Neurologen M. Nonne als Ausdruck nicht verarbeiteter psychischer Belastungen interpretiert wurde und nur durch Hypnose geheilt werden konnte.Mit Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer intensiven wissenschaftlichen Entwicklung der Psychosomatik durch Internisten (V. von Weizsäcker, A. Jores, T. von Uexküll), Physiologen (W. B. Cannon, W. R. Hess, H. Selye) und Psychoanalytiker (S. Freud, Felix Deutsch, * 1884, ✝ 1964, F. G. Alexander, A. Mitscherlich). Psychoanalytisch orientierte Internisten und Psychiater haben der Psychosomatik mithilfe der psychoanalytischen Entwicklungstheorie und der Konfliktpsychologie die entscheidenden Impulse sowohl hinsichtlich der theoretischen Modellbildungen als auch der therapeutischen Verfahren gegeben. Der Psychoanalytiker M. Balint forderte eine patientenzentrierte Medizin gegenüber einer ausschließlich krankheitszentrierten Sichtweise, da es nur dann möglich ist, die psychischen Konflikte zu erkennen, die sich hinter körperliche Störungen verbergen. Eine funktionelle Erkrankung bedeutet nur, dass der Patient in einer Konfliktlage war, die er durch eine Krankheit zu lösen versuchte. Alexander ordnete bestimmten Erkrankungen bestimmte unbewusste psychische Konflikte zu, und er entwickelte daraus eine erste systematische psychosomatische Krankheitslehre. Neben George L. Engel (* 1913) in Amerika und Uexküll in Deutschland hat v. a. H. Weiner mit klinisch-empirischen, tierexperimentellen und theoretischen Arbeiten den holistischen biopsychosozialen Zugang zu allen Erkrankungen untersucht und damit das Selbstverständnis der modernen Psychosomatik geprägt. Die Entwicklung der psychosomatischen Theoriebildungen ging zunächst von eher einfachen, linearkausalen Modellen von Gesundheit und Krankheit aus. V. a. aus den therapeutischen Erfahrungen entwickelte sich die Erkenntnis eines multifaktoriellen Geschehens; komplexe biologische, psychische und soziale Einflüsse gehen dem Ausbruch einer Krankheit voraus und tragen sowohl zur Entwicklung von Krankheit als auch zur Aufrechterhaltung von Gesundheit bei. Außerdem stellt die psychosomatische Medizin in ihrer historischen Entwicklung (in Europa mehr als in Amerika) eine medizinische Disziplin dar, die in Diagnostik und Therapie spezifische, v. a. psychotherapeutische Maßnahmen, anwendet.Grundprinzipien der PsychosomatikMit der Lehre von der unteilbaren biopsychosozialen Einheit des Menschen vertritt die Psychosomatik die Auffassung, dass Körper und Seele sich bei jeder Krankheit wechselseitig beeinflussen. Dieses uralte Wissen der Menschheit offenbart sich schon in volkstümlichen Redewendungen, in denen der Zusammenhang zwischen psychischem Erleben und Körperfunktionen beschrieben wird: Man zerbricht sich den Kopf, die Luft bleibt weg vor Staunen, die Sinne schwinden vor Schreck oder die Galle läuft über vor Ärger. Dieser psychosomatische Erfahrungsschatz besagt, dass Stimmungen und Gefühle sich im vegetativen Nervensystem (z. B. Herz, Blutkreislauf, Darm), im motorischen Nervensystem (Muskeln, Gestik, Mimik) und in allen anderen körperlichen Regulationssystemen (z. B. Immunsystem) niederschlagen, die körperliche Funktionsabläufe mitbestimmen und deshalb auch den Betroffenen beeinträchtigen können. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis haben sich in der wissenschaftlichen Psychosomatik als unterschiedliche Denkansätze der holistische und der psychogenetische Ansatz entwickelt. Nach der holistischen psychosomatischen Auffassung ist bei jeder körperlicher Krankheit, also z. B. auch bei Krebs oder Organtransplantation, der Krankheitsverlauf wesentlich auch von der psychischen Verfassung und von der psychischen Krankheitsverarbeitung des Patienten abhängig. Aus holistischer Sicht ist Psychosomatik einerseits eine Wissene von den Beziehungen biologischer, psychologischer und sozialer Determinanten sowohl bei Gesundheit als auch bei jeder Krankheit und andererseits ein Zugang zur medizinischen Praxis, der den Einfluss psychosozialer Faktoren bei der Untersuchung, Prävention, Diagnostik und Behandlung aller Erkrankungen befürwortet; darüber hinaus aber auch eine klinische Tätigkeit im Zwischenbereich von Medizin und Verhaltenswissenschaft. Dieser Anspruch zielt auf den Status einer Grundlagenwissenschaft mit einem bestimmten Zugang zum Kranken. Der psychogenetische Ansatz in der Psychosomatik ist die Krankheitslehre von der psychischen Verursachung bestimmter Erkrankungen, d. h. dass psychische Faktoren maßgeblich und regelhaft für die Entstehung der Krankheit verantwortlich sind, da keine organische Befunde (z. B. Infektion, Durchblutungsstörung am Herzen, auffällige Laborwerte) vorliegen, welche die Krankheitsentstehung erklären. Ursache der Krankheit sind objektivierbare Störungen der psychischen Erlebnisverarbeitung, die zu gestörten körperlichen Funktionsabläufen und dadurch zu körperlichen Symptombildungen führen. Die krankhafte Störung der Erlebnisverarbeitung entsteht durch innerpsych. unbewusste Konflikte und Fehlhaltungen infolge gestörter Entwicklungs- und Lernprozesse aus der gesamten lebensgeschichtlichen Entwicklung, die durch akute Konfliktsituationen aktiviert werden. Ein Beispiel ist die Herzangstneurose oder Herzphobie. Bei dieser Erkrankung treten plötzlich Herzrasen, auf das Herz lokalisierte Schmerzen, Kopfdruck, Ohnmachtsgefühle und Todesangst auf, die Betroffenen sind davon überzeugt, einen Herzinfarkt zu haben. Es handelt sich aber um rein funktionelle körperliche Erscheinungen, die von den Patienten jedoch besonders intensiv wahrgenommen und als krankhaftes Geschehen interpretiert werden. Diese körperlichen Erscheinungen werden durch für diese Erkrankung typische, dem Patienten aber unbewusste psychische Konflikte ausgelöst. Es handelt sich v. a. um unbewusste Trennungskonflikte und ambivalente Gefühle und Stimmungen, die aus psychoanalytischer Sichtweise von den Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen in der Kindheit auf aktuelle Bezugspersonen oder Partner übertragen werden. Diese Patienten suchen immer häufiger einen Arzt auf, da es ihnen zunehmend schlechter geht, und sie gleichzeitig immer weniger glauben können, dass die funktionellen Herzstörungen nicht organisch, sondern psychisch bedingt sind. Eine solche psychosomatische Erkrankung muss psychotherapeutisch behandelt werden, da nur eine konsequente Aufarbeitung der unbewussten psychischen Konflikte und Fehlhaltungen zu einer dauerhaften Heilung der Erkrankung führt. Häufig werden für den Ausbruch einer psychosomatischen Erkrankung Erscheinungen geltend gemacht, die mit dem Begriff Stress umschrieben werden, z. B. berufliche oder familiäre Überlastungen. Obwohl in diesen Beobachtungen, dass eine Krankheit z. B. während einer beruflichen Stresssituation ausbricht, auch ein Stück Wahrheit liegt, ist es nicht ein allgemeiner Überlastungsfaktor, der zur Krankheit führen kann. Es sind die ganz persönlichen Probleme der Lebensentwicklung, der Fixierung in ganz bestimmten Lebensbereichen, die sich im Rahmen einer biographischen Krise zu einem für diesen Patienten unlösbaren Konflikt verdichten, der dann im Körperlichen ausgetragen wird. In der Psychosomatik geht es um den positiven Nachweis dieser Zusammenhänge zwischen Erkrankung, aktueller Lebenssituation und Lebensgeschichte.Grundfragen der PsychosomatikWegen des wechselseitigen Einflusses von psychischen und körperlichen Prozessen bei vielen Krankheiten interessieren in der wissenschaftlichen Psychosomatik v. a. folgende Grundfragen:1) Warum tritt gerade diese Krankheit auf? Die Frage, in welcher Weise die Wahl zugunsten einer bestimmten Krankheit ausfällt, verlangt über die biologischen beziehungsweise genetischen Aspekte hinaus die Erfassung der psychologischen Zusammenhänge zwischen aktueller Erkrankung und Lebenssituation einerseits und den Erfahrungen und Erlebnissen aus der gesamten biographischen Entwicklung andererseits. Aus Tierexperimenten und aus Beobachtungsstudien gibt es Hinweise dafür, dass belastende psychosoziale Ereignisse (z. B. der Verlust einer wichtigen Bezugsperson) in der frühen Kindheitsentwicklung Körperfunktionen dauerhaft und lebenslang beeinflussen, z. B. Enzymspiegel oder rhythmische Vorgänge permanent verändern, die Regulation des Blutdruckes permanent stören. Dabei ist allerdings festzustellen, dass bisher für keine psychosomatische Krankheit ein gleichbleibendes Muster an disponierenden, auslösenden und krankheitserhaltenden Faktoren festgestellt werden konnte, das sich als regelhafter und universeller Mechanismus festschreiben ließe. Es muss angenommen werden, dass immer mehrere Ursachen für das Auftreten einer Erkrankung verantwortlich sind. Deshalb konzentriert sich die psychosomatische Forschung gegenwärtig stark auf die Untersuchung von Mediatoren, die bei der Umsetzung von Wahrnehmungen und Gefühlen in körperliche Prozesse wirksam werden.2) Warum tritt die Krankheit gerade jetzt auf? Die Frage, in welcher Weise der zeitliche Ausbruch einer Krankheit gesteuert wird, verlangt eine genaue Beschreibung des auslösenden Lebensereignisses im Krankheitsgeschehen, eine Spezifizierung der psychologischen Reaktion der betreffenden Person in allen Einzelheiten einschließlich der psychobiologischen Zusammenhänge (Korrelate). Menschliche Beziehungen scheinen sowohl für die Auslösung einer Krankheit als auch für die Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit von wesentlicher Bedeutung zu sein. Die Zeit-Rhythmus-Veränderung periodischer Systeme im menschlichen Körper kann durch die Störung beziehungsweise Zerstörung menschlicher Beziehungen bedingt sein. Beispiele dafür sind plötzliche Erkrankungen nach Verlusterlebnissen. Es ist diagnostisch und therapeutisch von entscheidender Bedeutung, die Auslösesituation einer Erkrankung sorgfältig zu ermitteln. Erst die Erfassung der subjektiven psychologischen Bedeutung der auslösenden Lebenssituation im Verhältnis zu den äußeren Umständen lassen die Entscheidung zu, inwieweit die Erkrankung in der Lebensentwicklung dieses Patienten einen psychologisch verstehbaren Stellenwert innehat oder nicht. Wichtig ist hier nicht der objektive Befund des äußeren Ereignisses, sondern das subjektive Erleben dieses Kranken. So entwickelte ein sechzigjähriger, sehr kräftiger Mann nach einem Unfall, den er unverletzt überstanden hatte, Lähmungserscheinungen, die organisch nicht erklärbar waren, die ihn jedoch auch wegen anwachsender Angstzustände und Depressionen arbeitsunfähig machten. Für sein Erleben war er »zum ersten Mal« bewusst in eine für ihn völlig unkontrollierbare Situation geraten, da er das Auto trotz der seiner Meinung nach rechtzeitigen Vollbremsung nicht zum Stehen bringen konnte und auf das vor ihm stehende Auto aufgefahren war. Aus der Schilderung seiner Lebensgeschichte wurde seine feste Überzeugung deutlich, dass es ihm aufgrund besonderer Fähigkeiten immer gelungen war, drohende Gefahren sofort erkennen zu können. In den Monaten vor dem Unfall war er allerdings von einem aufkommenden Zweifel geplagt, ob er wegen seines Alters den zunehmend jüngeren Konkurrenten in seinem Arbeitsbereich zukünftig noch ausreichend gewachsen sei. In dem objektiv eher banalen Unfallereignis verdichtete sich, schon verunsichert durch die Belastungen seiner aktuellen Lebenssituation, seine »Angst vor Hilflosigkeit«, die ihn zwar lebenslang begleitet hat, die er aber durch seine Fähigkeiten stets bewältigen oder verdrängen konnte. Erst die psychotherapeutische Aufarbeitung dieses psychologischen Hintergrundes führte zu einer Beseitigung der Symptome, sodass der Patient seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen konnte.3) Welche speziellen sozioökonomischen Verhältnisse und Zusammenhänge sind mit der Krankheit verbunden? Dieser Schwerpunkt liegt auf der Ermittlung von psychosozialen Risikofaktoren, die für die Entstehung von Krankheiten bedeutsam sind. Dazu sind Informationen v. a. über die Altersstufe, die genetische und soziale Vorgeschichte und das historische Umfeld notwendig. Gut gesichert sind die Einflüsse aus der Arbeitswelt. Angst vor drohender Entlassung senkt kurzfristig den Krankenstand eines Betriebes, während längerdauernde Arbeitslosigkeit regelhaft mit erhöhter Krankheitsanfälligkeit verbunden ist; tatsächliche und drohende Arbeitslosigkeit sind Risikofaktoren.Psychosomatik als klinische DisziplinÜber das tatsächliche Vorkommen psychosomatischer Störungen gibt es nur wenige Studien. Schätzungen für psychosomatische Störungen in der Bevölkerung liegen zwischen 20-80 %. Eine epidemiologische Untersuchung in der Stadt Mannheim wies nach, dass bis zu 12 % der Einwohner an psychosomatischen Störungen, 7,2 % an Neurosen, 5,7 % an Persönlichkeitsstörungen und 1,5 % an Abhängigkeiten leiden. Psychosomatisch behandelt werden Patienten mit Konversionsstörungen (psychisch bedingte Störungen des Bewusstseins, der Sinnesorgane, der Motilität und der Sensibilität mit Störungsbildern, z. B. psychogene Ohnmachten oder Dämmerzustände, psychogene Blindheit oder Taubheit, psychogene Lähmungen, Krämpfe, Missempfindungen und Empfindungsausfälle v. a. der Haut), mit funktionellen Körperstörungen (nichtorganischer Schlafstörungen, diffuse Zustände körperlicher Beeinträchtigung wie Kopfdruck, Spannungszustände, Unruhegefühl, Schwindel, nicht lokalisierbare Schmerzen sowie Funktionsstörungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmungs- und Verdauungsorgane, des Urogenital-, Bewegungs- oder Nervensystems, der Haut, der Augen oder im Hals-Nasen-Ohren-Bereich), mit artefiziellen Störungsbildern (heimlichen Selbstverletzungen z. B. durch Einritzen oder Einschneiden der Haut), mit Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Esssucht mit oder ohne Übergewicht), bei Organkrankheiten mit psychosozialer Komponente (z. B. Magengeschwüre, Darmentzündungen, Asthma, Hochdruck), bei somatopsych. Störungen (körperliche Erkrankungen, die häufig zu Problemen der Krankheitsverarbeitung und Krankheitsbewältigung führen können, z. B. Diabetes mellitus, Krebs oder auch Organtransplantation). Bei der Behandlung psychosomatisch Kranker wird in Abstimmung mit eventuell notwendigen somatischen Behandlungsformen die Psychotherapie angewendet, die auf den einzelnen Kranken abgestimmt sein muss. Dazu gehören beispielsweise Verhaltenstherapie, aber auch Einzel-, Gruppen- oder Familientherapie, aufdeckende, supportive oder mehr übende Verfahren. Aufgrund der mangelnden Selbstwahrnehmung und der Unfähigkeit vieler Kranker, sich emotional ausdrücken zu können, sind Modifikationen der Behandlungstechniken notwendig. Die Überlegenheit der kombinierten psycho- und somatotherapeutischen Behandlung gegenüber einer reinen somatotherapeutischen ist belegt.Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:Medizin · Neurose · Psychoanalyse · PsychotherapieLb. der psychosomat. Medizin, hg. v. T. von Uexküll u. a. (21981);F. Alexander: Psychosomat. Medizin (a. d. Amerikan., 41985);W. Miltner u. a.: Verhaltensmedizin (1986);W. Schmidbauer: Die subjektive Krankheit. Kritik der P. (1986);A. Mitscherlich: Krankheit als Konflikt. Studien zur psychosomat. Medizin (8-141986-95);Adolf Ernst Meyer: Die psychosomat. Gegenreformation - sind die Hoffnungen erfüllt?, in: Entwicklung u. Perspektiven der P. in der Bundesrepublik Dtl., hg. v. S. Ahrens (1990);W. Bräutigam u. a.: Psychosomat. Medizin (61992);V. von Weizsäcker: Der Gestaltkreis. Theorie der Einheit von Wahrnehmen u. Bewegen (61996);* * *
Universal-Lexikon. 2012.